Frühe Ernte mit remontierenden Himbeersorten

Gunhild Muster, LVWO Weinsberg

Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg, Traubenplatz 5,
D-74189 Weinsberg

E-Mail: Gunhild.Muster@lvwo.bwl.de

Abbildung 1: rechts (V1) Jungruten entfernt am 2.6.2020, links (V2) Bestand Fruchtruten und Jungruten

Zusammenfassung

Im Versuchsgut Heuchlingen der LVWO Weinsberg wurden im Rahmen des Europäischen Innovationsprojektes (EIP) Versuche zum Thema „Zukunftsperspektiven im Anbau und der Vermarktung von regional erzeugtem ökologischen Beerenobst“ angelegt. Geprüft wird auch die Frage, ob durch das Entfernen der Jungruten im Frühsommer (Mai, Juni) die Rutenlänge und somit die Ertragsbildung im folgenden Sommer beeinflusst werden können. Aufgrund des hohen Befallsdruckes duch die Kirschessigfliege sollte die Herbsternte möglichst stark verzögert und sehr gering ausfallen. Im Jahr 2019 wurden ein früher (30.4.) sowie ein späterer Schnitttermin (15.5.) gewählt, im Jahr 2020 waren dies der 2.6. und 30.6.. Durch das Entfernen der Ruten konnte die Blütenbildung nicht verzögert und die Herbsternte nicht verhindert werden. Bis zum Vegetationsende unterschied sich die Rutenlänge zwischen beiden Varianten nur minimal. Für die Sommerernte 2020 war eine Rutenlänge von 120 bis 140 cm vorhanden. Die Ertragsleistung lag wischen 3 und 4 kg pro laufenden Meter. Bei Enrosadira war der Ertrag bei früherem Rückschnitt im Vergleich zum späteren Termin signifikant höher. Ein Einfluss auf die Fruchtqualität wurde nicht beobachtet.

Versuchsfrage und Versuchshintergrund

Herbsthimbeeren sind zweimal tragende (remontierende) Himbeerpflanzen. Traditionellerweise erfolgt die erste Ernte im Herbst. Jedoch werden an der gleichen Rute im folgenden Frühsommer wieder Früchte entwickelt. Somit können zwei Ernten von einer Rute erzielt werden, sofern eine ausreichende Rutenlänge vorhanden ist. Desweiteren reifen die Sommerfrüchte vor den Früchten von einmaltragenden Sorten wie Glen Ample und Tulameen, sodass von höheren Preisen vor der eigentlichen Hauptsaison profitiert werden kann. Dagegen ist die Herbsternte insofern problematisch, da die Reife in eine Phase mit oft hohem Befall durch die Kirschessigfliege fällt. Da ertragreiche und wohlschmeckende Frühsorten fehlen, wurden zwei Herbstsorten für den Versuch ausgewählt, die lange Ruten bilden und bezüglich ihrer Ertragsleistung und Fruchtqualität im Herbst positiv beurteilt wurden. Durch das Entfernen der Jungruten im Frühsommer soll geprüft werden, ob einerseits Blütenbildung und Herbstertrag verzögert werden können, andererseits welcher Einfluss auf die Ertragsbildung im folgenden Sommer besteht. Durch das Entfernen der Ruten an einem früheren und einem vergleichsweise späteren Termin wird der Einfluss auf Rutenlänge und Sommerertrag erfasst.

Ergebnisse

Tabelle 1: Ertrag, Fruchtgewicht und Ernteverlauf von nachgetriebenen Ruten, 2019

Der Versuch wurde im Frühjahr 2018 angelegt, sodass im Herbst 2018 eine kleine Ernte (rund 1 kg/lfm bei Mapema und Enrosadira) erzielt werden konnte. Aufgrund starken Befalls mit der Kirschessigfliege wurde die Ernte Mitte September abgebrochen. Die Kulturführung war in allen Parzellen einheitlich. Im Herbst 2018 zeigte sich sehr spät ein Austrieb von Jungruten. Diese waren relativ dünn und wiesen eine Länge bis zu 140 cm auf. Nur in den Randparzellen wurden diese Ruten für die Sommerernte 2019 belassen (siehe Tabelle 1), in den übrigen Parzellen wurden die Jungruten entsprechend der Varianten entfernt. Tabelle 1 zeigt, dass ein geringer Ertrag erzielt werden konnte. Mapema war etwas ertragreicher als Enrosadira, die Fruchtgröße war bei beiden Sorten gering. Die Ernte begann bei Enrosadira 4 Tage vor Mapema. Wird dieses Ergebnis mit einer Glen Ample (5-jährig) Anlage verglichen, so konnte bei dieser ein deutlich höherer Ertrag (4,4 kg/lfm) mit einer deutlich größeren Frucht (4,8 g/Frucht) geerntet werden. Allerdings begann die Ernte erst rund 2 Wochen später (2.7.2019).

Im Frühjahr 2019 wurden die Ruten in Variante 1 am 30.4. und in Variante 2 am 15.5. entfernt. Die Erfassung der Rutenlängen am 10.7.2019 zeigte, dass die Ruten aus Variante 1 bei beiden Sorten ca. 20 cm länger waren als die Ruten aus Variante 2. Ein Einfluss der Überdachung, die während der Erntezeit die Früchte schützte, war nicht erkennbar. Mit dem Blühbeginn Ende Juli 2019 stoppte das Rutenwachstum. Bis dahin erreichten die Ruten der Sorte Mapema eine Länge von rund 160 cm, diejenigen von Enrosadira eine Länge von 180 cm, unabhängig von der Variante. Für die Sommerernte 2020 lag die Rutenlänge bei beiden Sorten zwischen 120 und 130 cm.

Im Frühjahr 2020 wurden in beiden Varianten die Ruten bodeneben am 30.4.entfernt. Am 2.6.20 wurden in Variante 1 die Ruten erneut abgeschnitten. Am 30.6. wurden die Ruten der Variante 2 bei einer Länge von 140 cm (Mapema) bzw. 100 cm (Enrosadira) entfernt. Neue Jungruten in Variante 1 waren am 30.6. rund 20 cm lang. Ende November betrug die Differenz in der Rutenlänge zwischen Variante 1 und 2 noch rund 10 cm bei einer Länge von 130 bis 140 cm. Die Blüte begann 2020 erst vergleichsweise spät (Ende August). Nach dem Entfernen des abgetragenen Fruchtstandes im März 2021 ist eine Rutenlänge von rund 120 cm bei beiden Sorten für die Sommerernte 2021 vorhanden.

Tabelle 2 zeigt Ertragsdaten des Jahres 2020. Bei „früherem Rutenentfernen“ (V1) war die Ertragsleistung höher als bei späterem (V2). Dieser Unterschied war bei Enrosadira statistisch signifikant. Damit bestand ein Einfluss der möglichen Wachstumszeit der Rute auf die Ertragsleistung, zumindest bei der Sorte Enrosadira. Bei der Sorte Mapema fällt V2 in der überdachten Parzelle auf. Der Ertrag ist vergleichsweise hoch und der Erntetermin auffallend früh. Fruchtgewicht und Anteil der vermarktungsfähigen Ware waren unbeeinflusst von Rutenmanagement und Überdachung. Auch scheint es keinen Einfluss auf den Erntebeginn zu geben. Die Fruchtgröße ist bei beiden Sorten mit rund 4 g pro Frucht akzeptabel. Die Ertragsleistung im Vergleich zu den nachgetriebenen Ruten 2019 ist ungefähr doppelt so hoch. Im Vergleich zu Glen Ample begann die Ernte 6 Tage früher. Die Ertragsleistung der 5-jährigen Glen Ample Anlage war 2020 mit nur 1,8 kg/lfm gering.

Die Sorten Mapema und Enrosadira wurden u.a. für den Versuch ausgewählt, da sie positiv in der Direktvermarkung im Herbst bewertet wurden. Die Verkostungsdaten (Tabelle 3) zeigen, dass die Fruchtfestigkeit von Mapema im Herbst besser beurteilt wurde als im Sommer. Beide Sorten waren im Sommer fester als Tulameen. Der Geschmack von Mapema-Früchten wurde positiv bewertet, sowohl im Sommer wie auch im Herbst. Allerdings ist die Zapfenlöslichkeit sowohl bei der Herbsternte wie auch bei der Sommerernte zumindest zeitweise ungenügend. Die Regenkappen haben sich weder auf den Anteil vermarktungsfähiger Ware noch auf die Fruchtfestigkeit deutlich ausgewirkt.

Tabelle 2: Erträge, Fruchtgewicht und Ernteverlauf, 2020

Sommerernte Mapema

Sommerernte Mapema

Sommerernte Enrosadira

Sommerernte Enrosadira

Tabelle 3: Fruchtqualität von Mapema und Enrosadira zur Sommer- und Herbsternte

Fazit

Eine Sommerernte der Sorten Mapema und Enrosadira ist möglich. Obwohl im Herbst eine Rutenlänge von 160 bis 180 cm erreicht wurde, betrug die Ertragszone für die Sommerernte nur maximal 140 cm. Im Jahr 2020 konnte an diesen Ruten ein Ertrag von 3 bis 4 kg/lfm geerntet werden. Der Rutenrückschnitt, mit dem eine Verzögerung der Blütenbildung und somit eine Verspätung des Herbstertrages erreicht werden sollte, hat nicht den beabsichtigten Effekt gehabt. Jedoch wirkte sich ein früherer Rückschnitt (2019) positiv auf die Ertragsleistung des folgenden Sommerertrages (2020) aus. Die Ernte begann (5% Ernte) im Jahr 2020 rund 6 Tage vor Glen Ample. Die Fruchtqualität insbesondere von Mapema war sowohl im Sommer wie auch im Herbst im Mittel mehrerer Termine gut.

Kultur- und Versuchshinweise

Standort: Versuchsgut Heuchlingen der LVWO Weinsberg
Pflanzmaterial: Grünpflanzen, Ende März 2018
Pflanzdatum: 24.5.2018
Pflanzabstand: 0,3 m x 3,0 m
Parzelle: 5,0 m mit 15 Pflanzen
Wiederholungen: 2
Sorten: Mapema, Enrosadira
Varianten: Schnitt (Entfernen der Jungruten)
2018: kein Rutenmanagement
2019: alle Ruten bodeneben entfernt
– V1 früher Schnitt = 30.4.2019
– V2 späterer Schnitt = 15.5.2019
2020: alle Ruten bodeneben entfernt
– V1 und V2 30.4.2020
– V1 früher Schnitt = 2.6.2020
– V2 späterer Schnitt = 30.6.2020

Kulturführung
Kulturschutz:
 mit bzw. ohne Dach (Regenkappen, Fa. Voen), Blüte bis Ernteende
Erziehung: aufrechte Hecke am Drahtrahmen mit 3 Drähten, es werden 50 Ruten pro Parzelle (10 Ruten pro laufenden Meter) angestrebt
Bewässerung: 2 Tropfschläuche, TA 30 cm
Düngung: Grunddüngung zur Pflanzung: pelletierter Hühnerdung 45 kg N/ha
Fertigation: Vinasse (Mai bis September)

 

Vielen Dank an die Heuchlinger Kollegen für die Betreuung der Versuche!