Brombeersorten im Folientunnel mit ökologischem Anbauverfahren
Gunhild Muster, LVWO Weinsberg
Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg, Traubenplatz 5,
D-74189 Weinsberg
E-Mail: Gunhild.Muster@lvwo.bwl.de
Zusammenfassung
Im Versuchsgut Heuchlingen der LVWO Weinsberg wurden im Rahmen des Europäischen Innovationsprojektes (EIP) Versuche zum Thema „Zukunftsperspektiven im Anbau und der Vermarktung von regional erzeugtem ökologischen Beerenobst“ angelegt. Dabei werden die schottischen Standardsorten Loch Tay und Loch Ness mit den neueren Sorten Nr. 12 (Schimmelpfeng), Asterina (Hauenstein) und Natchez (Clark) verglichen. Der Anbau erfolgt im Folientunnel (Haygrove) unter ökologischen Anbaubedingungen. Die Erntezeit begann am 3.6.2020 mit der Reife von Loch Tay, gefolgt von Natchez; die übrigen drei Sorten sind der gleichen Reifeperiode zuzurechnen. Loch Ness war die ertragsstärkste Sorte. Ertrag, Fruchtgewicht und Fruchtqualität wurden von Frostschäden sowie dem starken Befall mit Teemilbe (Polyphagotarsonemus latus), Brombeergallmilbe (Acalitus essigi) und Thrips (Drepanothrips reuteri) beeinflusst. Dadurch waren Ertrag und Fruchtgröße geringer als erwartet und die Früchte teilweise deformiert und krümelig. Nr. 12 und Asterina fielen durch ihren guten Geschmack auf, Nr. 12 und Natchez durch ihre Festigkeit. Alle Sorten waren im ersten Standjahr vital, die Regeneration von Asterina Pflanzen war unzureichend.
Versuchsfrage und Versuchshintergrund
Brombeeren sind eine interessante Nischenkultur. Besonders in der Direktvermarktung sollten Brombeerfrüchte über einen möglichst langen Zeitraum verfügbar sein. Um eine ausgedehnte Angebotszeit zu erreichen, können früh- bis spätreifende Sorten im Freiland angebaut werden. Durch die Kultivierung von Frühsorten im Folientunnel kann eine weitere Streckung erzielt werden. Darüberhinaus stellt der Geschmack ein zusätzliches Anbaukriterium dar. Während der sehr langen Erntezeit, muss mit einem hohen Befallsdruck durch die Kirschessigfliege gerechnet werden. Eine physikalisch-biologische Bekämpfung mittels Volleinnetzung ist durch das Tunnelgerüstsystem relativ leicht möglich. Aufgrund der veränderten kleinklimatischen Bedingungen in einem Folientunnel (im Vergleich zum Freiland) ist einerseits mit einer erhöhten Wüchsigkeit der Pflanzen, andererseits aber mit einem erhöhten Schädlingsdruck zu rechnen. Es liegen bislang wenig Erfahrungen mit dem Brombeeranbau im Folientunnel mit ökologischer Kulturführung vor. Deshalb sollen verschiedene Sorten, mit denen im Versuchsgut schon Erfahrungen gesammelt wurden, mit ökologischer Kulturführung im Folientunnel geprüft werden. Als Haupt- und Vergleichssorten wurden Loch Tay und Loch Ness gepflanzt. Weitere Sorten werden hinsichtlich ihrer Eignung zur Saisonverlängerung, Ertragsleistung, Fruchtqualität und Krankheitsanfälligkeit geprüft.
Ergebnisse
Alle Sorten erreichten eine Rutenlänge von mindestens 200 cm und bildeten 4 bis 6 Ruten pro Pflanze. Nur Asterina Pflanzen entwickelten weniger Ruten pro Pflanze (3 bis 4). Der Austrieb im Tunnel begann Anfang März 2020, Blühbeginn von Loch Tay war am 4.5.2020. Die Temperaturen im Folientunnel erhöhen sich bei strahlungsreicher Witterung sehr schnell und führen zu einer Verfrühung des Austriebs, der Blüte und letztendlich der Ernte. Der Folientunnel bietet auch bei niedrigen Temperaturen einen gewissen Schutz, insbesondere vor zusätzlicher Auskühlung durch Wind, aber grundsätzlich können Frosttemperaturen nur durch eine Zusatzheizung verhindert werden. Im ungeheizten Brombeertunnel wurden am 24. und 25. März 2020 sowie am 1. und 2. April Temperaturen von minus 4 bzw. minus 4,9 °C gemessen. Diese Temperaturen führten vermutlich zur Schädigung von Knospen. Insbesondere bei den Sorten Loch Ness („stehen gebliebene Knospen“) und Natchez (Abwerfen von Blütenständen, Laubveränderung) wurden Schäden beobachtet, die möglicherweise auf Frost zurückgeführt werden können. Tabelle 1 zeigt Ertrag und Fruchtgewicht. Loch Ness ist zwar die ertragsstärkste Sorte im Vergleich, jedoch haben frühere Ergebnisse im Versuchsbetrieb gezeigt, dass ein Ertrag von mindestens 8 kg pro laufenden Meter erzielt werden kann mit einem Fruchtgewicht von mindestens 8 g pro Frucht. Die Ernte von Loch Ness begann am 27.6.2020 während im Mittel der Jahre 2008 bis 2019 der Erntebeginn am 20.6. lag. Im Jahr 2011 hat sich gezeigt, dass Brombeeren nach einem Frostereignis noch einen verspäteten Ertrag bilden (Austrieb von Nebenknospen), was 2020 allerdings nicht beobachtet wurde. Auch Natchez hat ein hohes Ertragspotenzial. In normalen Jahren zeichnet sich die Sorte durch ihre sehr großen Früchte (11 g/ Frucht) aus, die deutlich größer als Loch Ness Früchte sind. Auch wenn Frostschäden bei Loch Tay, Asterina und Nr 12 nicht klar erkennbar waren, ist eine Schädigung denkbar. Loch Tay ist die am frühesten reifende Sorte, gefolgt von Natchez. Die Sorten Loch Ness, Asterina und Nr. 12 reifen im gleichen Erntefenster, wobei 2020 Loch Ness am ertragreichsten war und die längste Erntezeit aufwies. Die Ernte wurde Anfang August abgebrochen, da ein sehr hoher Befall mit der Teemilbe (Polyphagotarsonemus latus) auftrat. Dieser Befall hat neben dem Frost ebenfalls das Ertragsniveau sowie Fruchtgröße und Fruchtqualität beeinflusst. Desweiteren wurden rot/schwarze Früchte beobachtet, die auf einen Befall mit der Brombeergallmilbe (Acalitus essigii) hinweisen. Bei Bonituren durch das LTZ Augustenberg (P. Epp) wurden zudem Thrips (Drepanothrips reuteri) gefunden. Der vermarktungsfähige Anteil bei allen Sorten war gering.
Tabelle 1: Ertragsleistung von Brombeersorten im Folientunnel, 2020
Tabelle 2: Festigkeit und Geschmack von Brombeersorten 2020
Im Jahr 2020 lagen die Festigkeitswerte sowie die Beurteilung des Geschmacks in einem ähnlichen Bereich und kann für alle Sorten als mittel bis gut beschrieben werden. Die Verkostungsdaten bestätigen die guten Geschmackswerte der Sorten Asterina und Nr 12. Die Festigkeit wurde bei den Sorten Natchez und Nr 12 tendenziell besser beurteilt.
Fazit
Die Daten des Jahres 2020 (1. Ertragsjahr) sind überlagert durch die Frostereignisse im März und April. Bedingt durch den frühen Austrieb im Tunnel wurden dabei Knospen geschädigt. Andererseits hat das unerwartet hohe Auftreten der Teemilbe, sowie weiterer Schädlinge (Brombeergallmilbe, Thrips) zu Ertragsverlusten und einer Beeinträchtigung der Fruchtqualität geführt. Die schottischen Sorten Loch Tay und Loch Ness haben sich als Hauptsorten auch für den ökologischen Anbau im Folientunnel im ersten Jahr bewährt. Natchez ist eine interessante Sorte, die aufgrund ihrer Fruchtgröße und des Geschmackes eine Ergänzung zum Sortiment sein könnte. Die Frostanfälligkeit muss beobachtet werden. Die Züchtung Nr. 12 (Schimmelpfeng) hat unter diesen Kulturbedingungen ihre Vitalität und Wüchsigkeit bestätigt. Die Fruchtqualität wurde sehr positiv bewertet. Nr 12. kann eine interessante Ergänzung in der Hauptreifezeit sein, wenn besonderer Wert auf den Geschmack gelegt wird.
Kultur- und Versuchshinweise
Standort: Versuchsgut Heuchlingen der LVWO Weinsberg
Pflanzjahr: 4.12.2018
Pflanzung: in den Boden
Pflanzabstand: 1,0 m x 2,7 m
Pflanzmaterial: Topfpflanzen
Sorten:
1 Nr. 12 – 3 Wdh
2 Asterina – 2 Wdh
3 Natchez – 1 Wdh
Loch Tay – 2 Wdh
Loch Ness – 2 Wdh
Kulturführung nach ökologischen Richtlinien:
Anbau im Folientunnel (Fa. Haygrove) mit Einnetzung gegen die Krischessigfliege (Drosophila suzukii)
Pflanzstreifen: ca. 60 cm breit, ohne Abdeckung
Erziehung: fächerförmig am Drahtgerüst mit 3 Drähten, 4 bis 6 Ruten pro Pflanze
Zapfenschnitt auf drei Augen: Ende Mai / Anfang Juni
Bestäubung: Hummeln
Bewässerung über 2 Trofpschläuche
Bewässerungsdüngung mit Vinasse
Vielen Dank an die Heuchlinger Kollegen für die Betreuung der Versuche!
Die Daten für den Sortenüberblick wurden in einem Freilandversuch an der LVWO Weinsberg in den Jahren 2016 bis 2019 ermittelt.
Obsidian (C. Finn, Oregon)
Reifezeit: sehr früh, EB: 20.6., kompakt
Ertrag: gering
Fruchtgöße: groß
Fruchtqualität: lange konische Form, mittelfest bist fest, empfindliche Fruchthaut, angenehmer Geschmack, leicht bitter, intensives Aroma, nimmt rötliche Fruchtfarbe an nach der Ernte
Wuchs: stark bewehrt, rankend, mittlere Regeneration
Nr. 12 (H. Schimmelpfeng, D)
Reifezeit: sehr spät, EB: 20.7., nach L. Ness
Ertrag: mittel
Fruchtgöße: mittel, wie Loch Ness
Fruchtqualität: kurzkegelförmig, mittelfest bis fest, harmonischer angenehmer Geschmack, typisches Aroma
Wuchs: nicht bewehrt, mittelstarke, lange Ruten, mittlere Regeneration
Natchez (J. Clark, Arkansas)
Reifezeit: mittel, EB: 4.7., kompakt
Ertrag: mittel
Fruchtgöße: groß bis sehr groß
Fruchtqualität: trapezförmig, mittel bis fest, harmonischer Geschmack, leicht bitter, typisches Aroma, intensiv, neigt zu rot /schwarzer Ausreife
Wuchs: nicht bewehrt, wenige, starke lange Ruten, mittlere Regeneration
Asterina (P. Hauenstein, CH)
Reifezeit: spät, EB: 15.7., mit Loch Ness
Ertrag: gering
Fruchtgöße: mittel
Fruchtqualität: rundlich bis kurzkonisch, mittelfest, angenehmer Geschmack, mittleres Aroma
Wuchs: nicht bewehrt, wenige Ruten, geringe Regeneration